In schlimmen Verhältnissen

In schlimmen Verhältnissen, besonders wenn die Mächte der Finsternis offensichtlich dreist dazu entschlossen waren, alles, was immer den christlichen Namen angeht, nach Kräften der Vernichtung zuzuführen, hatte die Kirche stets die Gewohnheit, Gott als ihren Stifter und Beschützer mit größerer Ergebenheit und Beharrlichkeit anzurufen. Hierbei zog sie auch die Heiligen des Himmels als Helfer hinzu, und besonders die Allerseligste Jungfrau und Gottesgebärerin, in deren Schutz und Schirm die Kirche im höchsten Grade eine Stütze für ihre Interessen erkennt. Und die frommen Gebete, die auf die Güte Gottes bauen, zeitigen offenkundig früher oder später die Frucht ihrer Hoffnung.

Ihr kennt vollkommen die gegenwärtige Lage der Dinge, ehrwürdige Brüder. Sie ist in der Tat für die christliche Religion kaum weniger unheilvoll und elend, als sie es in den unheilvollsten und elendesten früheren Zeiten gewesen ist. Wir sehen, wie bei vielen Menschen die Grundlage aller christlichen Tugenden, der Glaube, verschwindet; wie die heilige Liebe erkaltet; wie eine durch schlechte Sitten und falsche Anschauungen verführte und verdorbene Jugend heranwächst. Wir sehen, wie die Kirche Jesu Christi von allen Seiten mit Gewalt und List bekämpft wird; wie gegen das Papsttum ein rücksichtsloser Krieg geführt wird und wie die Grundlagen der Religion selbst mit einer täglich anwachsenden Vermessenheit erschüttert und zu Fall gebracht werden.

Wie weit dies in jüngster Zeit bereits um sich gegriffen hat und was man darüber hinaus noch im Schilde führt, das ist bereits zu sehr bekannt, als daß man es eigens in Worten darlegen müßte.

In dieser schwierigen und elenden Lage sind die Übel größer als die menschlichen Gegenmittel. Als einzige Zuflucht ist es daher vonnöten, die Macht Gottes um ihren Beistand anrufen.

Aus diesem Grunde halten Wir es für notwendig, die Frömmigkeit des christlichen Volkes dazu anzuspornen, noch eifriger und beharrlicher die Hilfe des Allmächtigen Gottes zu erflehen. …: Wir haben bei einer anderen Gelegenheit angeordnet, daß er [der Monat Oktober] der Jungfrau Maria vom Rosenkranz geweiht sein soll. Uns so mahnen wir nachdrücklich, daß jener Monat zu seiner Gänze dieses Jahr in größtmöglichem Maß mit Andacht und Frömmigkeit begangen werden soll.

Wir haben ja die Erfahrung, daß in der mütterlichen Güte der Allerseligsten Jungfrau ein Zufluchtsort bereitsteht, und wir wissen mit Sicherheit, daß wir alle unsere Hoffnung nicht vergebens auf sie gesetzt haben. Hundertmal war sie in den großen Bedrängnissen und Gefahren der christlichen Religion zugegen: Warum sollte man daran zweifeln, daß sie künftig die Beispiele und Beweise ihrer Macht und Gnade erneuern wird, wenn allgemein demütige und beharrliche Bittgebete verrichtet werden? Wir glauben vielmehr, sie werde uns künftig umso wunderbarer zur Seite stehen, je mehr sie mit Freude sieht, daß sie in zunehmendem Maße und immer inniger angerufen wird.

Wir hegen aber auch noch eine andere Absicht. Wie Ihr, Ehrwürdige Brüder, es für gewöhnlich zu tun pflegt, werdet Ihr Euch sicher mit Uns gemeinsam gewissenhaft im Sinne dieser Absicht bemühen.

Wollt Ihr, daß Gott unseren Gebeten ein huldvolleres Ohr leihe? Wollt Ihr, daß er dank der Vermittlung einer größeren Schar von Fürbittern seiner Kirche bereitwilliger und freigebiger beistehe? Dann scheint es Uns höchst angebracht, daß die Christenheit es sich zur Gewohnheit mache, zugleich mit der jungfräulichen Gottesmutter auch den heiligen Josef, ihren keuschen Gemahl, mit großer Andacht und mit kindlichem Vertrauen anzurufen. Gestützt auf gute Gründe halten Wir dafür, daß diese Verehrung der allerseligsten Jungfrau selber erwünscht und sehr genehm ist.

Papst Leo XIII. (1878-1903) Enzyklika „Quamquam pluries“ vom 15. August 1889
Die deutsche Übersetzung (in freier Anwendung): A. Rohrbasser (Hg.),
Heilslehre der Kirche. Dokumente von Pius IX. bis Pius XII.,