Betrachtungen über das Leiden Unseres Herrn Jesus Christus, 3. Teil

Plinio Corrêa de Oliveira

Fünfte Betrachtung

»Darauf ließ Pilatus Christus wegführen und ihn geißeln.« (Joh 19,1)

Pilatus dachte, dass er, indem er Jesus geißeln ließ, die Juden befriedigen und so in der Lage sein würde, ihn frei zu machen. So ist es, wie die Schwachen immer denken: Kompromiss, dem Bösen nachgeben, um es zu beschwichtigen. Das macht es aber nur noch schlimmer.

Die Folterer banden seine Hände und brachten ihn an die Säule inmitten von Schlägen, Schützen und Gelächter. Seine Sanftmut, Güte und alles über sich ergehen zu lassen, kontrastiert mit dem brutalen, sinnlosen und grausamen Hass der Schergen. Oh dumme Illusion, dass er, indem er seine Hände fesseln lässt, nun bewegungslos dastünde! Es wäre genug für ihn zu sagen, „Stricke, lockert euch“ und sie würden zu Boden fallen! Hätte er es gewollt, könnten die Stricke auch zu Schlangen werden, um seine Übeltäter anzugreifen.

Das außergewöhnlichste ist, dass er sich selbst hingegeben hat, um gegeißelt zu werden. Wir können uns sein süßes Stöhnen vorstellen. Sein heiliger Körper, der sich in Schmerzen krümmt, sein anbetungswürdiges Fleisch, das von den Peitschen und Geißeln zerrissen wurde. Das war das Fleisch des Gottmenschen! Er stand da voller Würde, sanftmütig und ohne Protest und unterhielt sich mit dem ewigen Vater in seinem Herzen.

Wir können uns auch in diesem Augenblick den Sohn Gottes, den obersten Regierenden über alle Ereignisse, vorstellen, der an die gesegnete Zivilisation denkt, die eines Tages auf die Verdienste Seiner Leidenschaft aufgebaut werden würde. Ach, er sah auch, dass sich die christlichen Völker in einem gewissen Augenblick gegen ihn abwenden und von einer Anti-Zivilisation beherrscht würden. Weil diese Welt den persönlichen Gott verleugnen würde, würde sie auch die Persönlichkeit und Individualität des Menschen verleugnen.

In dieser dekadenten Antizivilisation würde die Menschheit die totale Gleichheit einfordern und so zu einer rebellischen kommunistischen Utopie versklavt werden. Diese Utopie würde das Eigentum und damit die Gerechtigkeit verleugnen; würde die Familie und damit die Reinheit verleugnen; würde die Religion verleugnen, und alles was heilig ist; würde die Tradition und damit die Geschichte verleugnen. Durch die Umkehrung aller Werte würde diese Zivilisation ein großes Chaos erzeugen, ein großes Vakuum, in dem die ehemaligen christlichen Völker ertrinken würden. Diese Zivilisation ist die Tyrannei der Materie, der Maschine, der Anonymität und des Atheismus, in ein Wort, die Herrschaft des Satans.

Unser Herr hätte sich wie der Prophet David beklagen können: „Was nützt denn mein Tod…?“(Ps 30,9) Was nützt denn mein Blut, das ich so großzügig und so reichlich vergossen habe?

Sechste Betrachtung

»Die Soldaten flochten einen Kranz aus Dornen und setzten ihn auf sein Haupt, legten ihm einen purpurroten Mantel um.« (Joh 19,2)

Unser Gott, mit Dornen gekrönt! Ist dies nicht ein Beweis, dass Gottes Königtum ein Königtum des Leidens ist? Lasst uns Leiden annehmen: Demütigungen leiden; leiden an Ungerechtigkeit; leiden unter der unermüdlichen Anstrengung, Gutes zu tun; leiden unter Selbstverleugnung. Das Leiden aus dem Christentum zu entfernen, ist Christus beleidigen, der eine Dornenkrone angenommen hat. Christ sein und Angst haben, für Gott zu leiden, ist, Gott zu einem bloßen Bankier herabzusetzen, der unserer Gewinnsucht nachkommt oder zu einen einfachen Diener, der unseren Wünschen nachkommt. Das Leiden vom Christentum zu beseitigen, ist gleich, sein Rückgrat zu entfernen.

Sind wir nur Gutwetterfreunde? Es ist in der Tat nicht christlich, Angst zu haben, uns für Christus zu opfern, unser größter Freund. Lasst uns nicht die Gemeinheit begehen, Jesus auf Golgatha zu verlassen. Lasst uns nicht auf sein Gesicht schlagen, verwundet aus Liebe zu uns, indem wir sündigen. Lasst uns nicht herzlose Hyänen sein, sondern vielmehr „gütig und demütig von Herzen“ wie Er (Mt 19,2).